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„Der Wuppertaler SV ist mein Herzensverein geworden“
Ein Traumtor gegen RWO, zwei Tore zum Geburtstag gegen Düsseldorf - es läuft bei unserem Linksaußen, mit dem wir uns vor dem Spiel gegen Fortuna Köln unterhalten haben.
Hallo Kevin, du spielst gerade deine sechste Saison bei uns. Kann man sagen, dass der WSV dein Heimatverein geworden ist? Ja, absolut. Es gab aus verschiedenen Gründen eine kleine Unterbrechung bei der U23 von Fortuna Düsseldorf, aber letztendlich bin ich wieder zurückgekehrt. Der Wuppertaler SV ist mein Herzensverein geworden, bei dem ich meine größten Erfolge feiern konnte.
Ihr habt letztes Jahr eine sehr gute Saison gespielt. Mit welcher Erwartungshaltung bis du im Sommer in die Vorbereitung gestartet? Als Drittplatzierter der Vorsaison wollte ich in dieser Spielzeit nicht Vierter werden, sondern die erfolgreiche Zeit auf das neue Jahr übertragen. Das war der Mindestanspruch, den glaube ich viele Sportler haben. Alles, was darüber hinausgeht, ist „nice to have“, aber man muss dann immer abwarten, was alles passiert.
Am Anfang der Saison lief es lange Zeit nicht gut, Björn Mehnert musste gehen. Woran hat das deiner Meinung nach gelegen? Ich glaube nicht, dass es den einen Grund gab, sondern eine Verkettung mehrerer Faktoren dazu geführt hat, dass wir nicht so in die Saison hereingekommen sind, wie wir uns das alle vorgestellt haben. Fakt ist aber, dass wir den Bock umgestoßen und einen erfolgreichen Weg eingeschlagen haben. Darauf müssen wir jetzt aufbauen.
Mit Felix Backszat, Semir Saric und Niklas Heidemann, mit dem du auf deiner Seite gut harmoniert hast, sind wichtige Spieler gegangen. Hat man diese Abgänge unterschätzt und braucht es einfach seine Zeit, bis neue Spieler diese Rollen ausfüllen können? Die drei waren Säulen der Mannschaft und einfach ganz tolle Charaktere, die fast jedes Spiel bestritten haben. Ich glaube, wir haben das nicht unterschätzt, da wir auch tolle und leistungsstarke Charaktere hinzugewonnen haben. Klar, jeder einzelne Verlust tut weh, aber am Ende geht es immer darum sich als Mannschaft neu zu finden. Das macht es extrem spannend, aber dann auch schwierig, erfolgreich in die Saison zu starten.
„Wir wollen vieles spielerisch lösen“
Zuletzt lief es wieder deutlich besser. Worin liegen deiner Meinung nach die Gründe für die Verbesserung? Wir fühlen uns unter anderem im aktuellen 3-5-2-System, in dem wir ja auch letzte Saison meistens gespielt haben, sehr wohl. Das macht es für die Mannschaft einfacher, Abläufe abzurufen und attraktiveren, effektiveren Fußball zu spielen. Das kann ein Grund dafür sein, dass es momentan so läuft wie es läuft.
Was gibt es denn im Moment noch zu verbessern? Wir haben gegen Düsseldorf versucht, vieles spielerisch zu lösen und uns dabei das eine oder andere Mal in die Bredouille gebracht. In diesen Situationen wäre ein langer Ball vielleicht die bessere Wahl gewesen. Der lange Ball soll nicht die Regel sein, wir wollen schließlich vieles spielerisch lösen. Aber die Balance können wir verbessern. Außerdem müssen wir in der Chancenverwertung, die gegen Spitzenmannschaften entscheidend sein kann, besser werden. Wir lassen hier und da zu viel liegen. Alle Tore, die du vorne nicht machst, bekommst du dann im schlimmsten Fall hinten wieder rein.
Was kann man denn machen, um die Chancenverwertung zu verbessern? Mein Gefühl sagt mir, dass man beim Torabschluss einfach weniger nachdenken muss. Das ist es glaube ich. Trainieren kann man es nicht, sowas hat man wahrscheinlich irgendwo im Blut. Wenn man sich zu sehr darauf fokussiert, verkrampft man eher beim Abschluss. Deswegen: Weniger nachdenken ist manchmal mehr.
Letztes Jahr hat Niklas Heidemann noch hinter dir gespielt. Jetzt spielst du alleine auf der Seite und musst auch die Defensivaufgaben übernehmen. Wie sicher fühlst du dich bei dieser neuen Aufgabe? In den letzten Spielen habe ich als Linksverteidiger gespielt - diese Position ist für mich komplett neu. Ich kannte das so noch nicht, insbesondere wegen der Defensivaufgaben. Die hast du als Offensivspieler natürlich auch, aber in einem anderen Kontext. Auf der Linksverteidigerposition triffst du ja auf einen Offensivspieler der gegnerischen Mannschaft, den du wegverteidigen musst. Das ist eine neue Situation, die mir Spaß macht und auch ein Stück weit liegt, weil es laufintensiv ist. Aber so richtig pudelwohl fühle ich mich natürlich eher vorne drin.
Du ziehst jetzt öfters von außen nach innen, hast niemanden mehr, der hinterläuft. Liegt dir das? Wenn jetzt jemand zur Unterstützung mitkommt, ist es in der Regel der linke Innenverteidiger. Aber grundsätzlich stimmt es, dass das Spiel nun eher im Zentrum stattfindet, sodass ich als Rechtsfuß nach innen ziehe. Das gibt mir viele Optionen, dort mit den anderen zu kombinieren und kreative Lösungen zu finden oder selbst den Torabschluss zu suchen.
„Ich freue mich auf jedes weitere Jahr, das mir geschenkt wird“
Gegen Düsseldorf hast du an deinem Geburtstag zwei Tore geschossen und scheinst gerade überhaupt in einer guten Form zu sein. Liegt das auch daran, dass du länger verletzungsfrei bist? Ja genau, das Gefühl habe ich auch. Ich war jetzt länger nicht verletzt und habe mir auch für diese Saison gewünscht, nicht von einer großen Verletzung zurückgeworfen zu werden. Es tut gut, in einen Modus zu kommen, in dem man durch Spielpraxis Selbstvertrauen und Spielsicherheit gewinnt. Das ist im Fußball sehr wertvoll und spiegelt sich dann auch in den Leistungen wider.
Du bist in deiner Karriere öfters von Verletzungen zurückgeworfen worden. Hättest du es ansonsten vielleicht auch in die 3. oder die 2. Liga schaffen können? Die Verletzungen haben das, glaube ich, nicht verhindert. Vielmehr habe ich ja immer nebenbei in Vollzeit gearbeitet. Mittlerweile bin ich seit zehn Jahren bei Ferdinand Bilstein in Ennepetal beschäftigt. Ich habe dafür gelebt, zu arbeiten und Fußball zu spielen. Je höher du spielst, desto weniger ist es möglich, beides miteinander zu kombinieren. Ich habe davon geträumt, höherklassig zu spielen - das würde ich schon sagen - habe dieses Ziel aber nie so richtig verfolgt.
Als du im Winter 2020/21 von Düsseldorf wieder zurück zum WSV gewechselt bist, hast du im Interview mit der Rheinischen Post gesagt, dass du vielleicht noch drei Jahre auf diesem Niveau Fußball spielen kannst. Da fehlt jetzt nur noch ein Jahr! Was, wirklich? (lacht) Wenn ich mich gut fühle und das Leistungsniveau halten kann, möchte ich schon noch eine Weile weiter Fußball spielen. Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorzeitig aufhören wollen und freue mich eigentlich auf jedes weitere Jahr, das mir geschenkt wird.
Hast du schon Pläne für die Zeit nach dem Fußball? Ich werde mich auf die Arbeit bei meinem jetzigen Arbeitgeber fokussieren. Da freue ich mich auch schon drauf. Ich bin froh, dass ich diesen Job habe und direkt nach der Karriere im Fußball dort einsteigen und mich vielleicht noch ein bisschen weiterentwickeln kann.
Mit deinem Job und dem Fußball hast du schon viel zu tun. Bleibt dir noch Zeit für weitere Hobbys? Auf jeden Fall! Ich fahre im Winter gerne Ski, aber was ich fast schon liebe, ist Dart spielen! Ich habe mich jetzt seit drei Jahren richtig reingefuchst. Ich begeistere mich sehr für diesen Sport, habe mir eine eigene Dartscheibe mit LED-Beleuchtung und Abstandssensor zugelegt. Ich versuche mich immer zu verbessern und habe auch schon auf Turnieren mitgespielt. Ich bin zwar nicht bis ins Finale gekommen, aber es war eine richtig geile Erfahrung. Mit Stephan Küsters, der eine Scheibe im Büro hängen hat, spiele ich auch schon mal.
Vielen Dank für das Gespräch, Hage!
Quelle: neunzehn54 Ausgabe 5
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