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„Der WSV war Stadtgespräch“
Ernst-Adolf-Steyer kam einst über Horst Szymaniak zum WSV. Jetzt wurde er für 60 Jahre Vereinsmitgliedschaft geehrt. Wir haben uns mit dem leidenschaftlichen Sportler, der sich heute als ältester aktiver Fußballer Wuppertals bezeichnet, über seine Zeit in der Amateurmannschaft unseres Vereins und seine sportliche Karriere danach unterhalten.
Hallo Adolf, wo hast du mit dem Fußballspielen angefangen? Ich komme aus Gelsenkirchen-Rotthausen und bin dort, weil mein Vater bei einem Grubenunglück ums Leben gekommen ist, in einem Kinderheim aufgewachsen. Ich war dann auch oft bei Schalke und habe dort Fußball gespielt. Ich war zwar kein Vereinsmitglied, aber früher haben die Spieler der ersten Mannschaft auch mal mit den Kindern, die da waren, Fußball gespielt. Mit Anfang 20 bin ich nach Wuppertal gezogen und habe dort beim SSV Nächstebreck, heute Fortuna Wuppertal, Fußball gespielt.
Wolltest du schon immer Fußballer werden? Eigentlich wollte ich Zehnkämpfer werden, weil ich auf dem Freudenberg die 400 m in 56 Sekunden gelaufen bin. Ich war aber von meiner Statur her immer schon recht schwer und deshalb im Stabhochsprung nicht gut genug. Ich habe mich dann mehr der Musik gewidmet, meiner zweiten großen Leidenschaft.
Du bist dann durch Horst Szymaniak zum WSV gekommen... Genau. Bei der Musik traf ich den Neffen von Horst Szymaniak, der oben am Höchsten bei seiner Mutter Gitarre spielte. Über ihn lernte ich dann die Fußballspieler und Szymaniak selbst kennen. Er war damals noch bei Catania und im Gespräch bei Real Madrid. Wir haben uns gar nicht so viel über Fußball unterhalten, sondern mit seinem Neffen und seiner Schwester beim Kaffeetrinken über Musik gesprochen. Als ich dann zur Cronenberger Straße gezogen bin, hat Szymaniak mir vorgeschlagen, zum WSV, der am Freudenberg trainierte, zu gehen. Ich bin 1961 da aufgetaucht und ein paar Monate später Mitglied geworden. Von dem Moment an habe ich bis 1973 bei den Amateuren gespielt.
Wie professionell wurde bei den Amateuren trainiert? Wir haben viermal die Woche am Freudenberg trainiert. Ich hatte dann auch Freunde, die dort mitgemacht haben. Trotzdem war es damals so, dass du zum Training oder zum Spiel gekommen bist, gespielt hast und dann hieß es „Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal.“ Es gab kein Bierchen nach dem Spiel oder sowas. Es war Disziplin gefragt und reines, hartes Spiel mit Fairness. Wir hatten am Freudenberg zwei Galgen - heute sagt man Kopfballpendel. Da musstest du dich aus vollem Lauf reinstürzen: Laufen und dann hinfliegen auf den Boden. Das war richtiges, hartes Training. Von Schäden am Gehirn durch zu viele Kopfbälle hat damals noch keiner gesprochen. Waldläufe haben wir selten gemacht, aber die Stufen mussten wir rauf und runter laufen. Früher warst du eine Marionette für die Trainer: Du hattest keine Widerworte zu geben und musstest das machen, wofür du eingesetzt wurdest.
In welcher Liga habt ihr gespielt und wie war eure Verbindung zur ersten Mannschaft? Wir sind nie über die Bezirksliga hinausgekommen, weil wir ständig die erste Mannschaft füttern mussten. Viele von uns - wie Jürgen Papies oder Klaus Spannenkrebs - haben dann auch einen Vertrag bei den Profis unterschrieben. Wir waren Ersatzmänner und haben häufig in Trainingsspielen gegen die erste Mannschaft gespielt. Wenn im Training bei der ersten Mannschaft jemand ausgefallen ist, mussten wir aushelfen. Das war dann meistens auf dem Stadionnebenplatz. Der Nebenplatz sieht ja jetzt schön aus, aber früher war das nur Matsche. Die musste man sich nach dem Training dann mit der Bürste vom Körper abkratzen. Wir haben gegen Haase, Meisen oder Pröpper gespielt - und ich war mittendrin.
Konntest du denn im Training mithalten? Ich war bis 1973 in den Trainingsspielen dabei und wurde dort von allen Trainern, egal ob von Robert Gebhardt oder Horst Buhtz, eingesetzt. Ich war ein guter, schneller Verteidiger. An mir kamen auch die Bundesligaspieler nicht so leicht vorbei. Und wenn das doch mal vorkam, habe ich die Gegenspieler nach außen geleitet. Wenn ich heute sehe, dass die Verteidiger ihre Gegenspieler innen vorbeiziehen lassen, verstehe ich nicht, was die gelernt haben. Köpfen konnte ich auch ganz gut, aber wenn ich gegen Günter Pröpper ins Kopfballduelle musste, stand der mit den Stollen fast auf meinen Schultern (lacht).
Wolltest du dann auch gerne Profi werden? Ich habe damals nicht so den Willen gehabt, mich zu zeigen, weil es nichts gab. Du hast 150,- DM bekommen - davon konnte man nicht leben. Ich war auf der Meisterschule und hätte nicht dauernd spielen können, da man dafür ständig parat stehen musste. Ich habe damals gesagt, ich kann hier berühmt werden, aber nicht reich.
Was hast du nach deiner Zeit bei der Amateurmannschaft gemacht? Ich habe zwei Jahre lang eine Jugendmannschaft des WSV trainiert und weiter selbst in der Betriebssportmannschaft bei Stahlwille gespielt. Später habe ich dann in der Traditionsmannschaft gespielt, mit der wir einige Turniere gewonnen haben. Mit dieser Mannschaft, die der WSV leider nie richtig anerkannt hat, in der aber viele alte WSVer gespielt haben, sind wir dann auf die ganz Großen des deutschen Fußballs getroffen, wie zum Beispiel Franz Beckenbauer.
Du bist in den 1960er und 1970er Jahren auch regelmäßig als Zuschauer im Stadion am Zoo gewesen. Wie war die Atmosphäre damals? Damals kam alles hierhin, der WSV war Stadtgespräch. Es waren nicht drei-, sondern dreißigtausend Zuschauer im Stadion! Das war eine andere Zeit und wir waren mit dem WSV ganz anders verbunden. Wenn du ins Stadion kommst und da ist direkt die Hölle los, dann schreist du mit und merkst das gar nicht. Das waren Riesensachen und alle haben mitgemacht.
Du spielst jetzt Walking Football. Was kann man sich darunter vorstellen? Beim Walking Football darf man nicht rennen, ein Fuß muss immer auf dem Boden bleiben. Es kommt außerdem zu wenig Körperkontakt und der Ball darf nicht mehr als einen Meter vom Boden abheben. Das ist eine tolle Möglichkeit für ältere Fußballer, weiterhin dieses schöne Spiel spielen zu können. Ich bin inzwischen Zeugwart unserer Mannschaft beim SSV Germania 1900 und spiele nur noch mit, wenn wir nicht genügend Spieler haben. Wir spielen in keiner Liga, haben aber zuletzt Freundschaftsspiele gegen Borussia Dortmund oder Schalke 04 mit Klaus Fischer ausgetragen. Bald fahren wir zu Werder nach Bremen. Fußball ist wie Autofahren. Da überlegst du ja auch nicht, wann du den zweiten Gang reinlegst, sondern machst das einfach. Bei uns älteren Fußballern ist das genauso. Die ganzen Abläufe sind noch im Kopf drin. Gegen Dortmund haben wir in zehn Minuten sieben Tore kassiert. Da merkst du deren Klasse sofort, wenn die den Ball annehmen und den in die Ecke [***]. Zack, ist der Ball drin.
Vielen Dank für das Gespräch, Adolf! Alles Gute und viel Erfolg gegen Werder!
Quelle: neunzehn54 Ausgabe 9
Mehr historisches zum Wuppertaler SV gibt es im WSV-Archiv.
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